26.5.2019 In: Medien- und Presserecht

Anmerkung: Zum Rechtsschutz investigativer Aufklärungsmaßnahmen

Unmittelbar nach der Veröffentlichung des sog. „Strache-Videos“ und dem sich anschließenden Zusammenbruch der österreichischen Regierung, begann die mediale Fahndung nach der Identität der Lockvögel, mittels derer die rechtswidrigen Machenschaften des FPÖ-Spitzenmannes offenbar wurden. Eine österreichische Online-Plattform hat schnell einen angeblichen „Hintermann“ ausgemacht, von dem sie nicht-anonymisierte Bilder im Internet veröffentlichte. Die Bilder stammen aus einer Gerichtsakte und wurden rechtswidrig beschafft, das soll hier aber nicht weiter interessieren. Relevant ist lediglich, dass die Bilder in keinem Zusammenhang mit dem aktuellen Berichtsgegenstand stehen.
Diese Bildnisverbreitung war unzulässig. Das LG Berlin hat in seiner Beschlussverfügung klargestellt (27 O 199/19), dass die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Berichterstattungsinteresse überwiegen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Abgebildeten tatsächlich um einen „Hintermann“ gehandelt hat oder nicht. Sein Agieren sei jedenfalls in Anbetracht der außerordentlichen Bedeutung der aufgedeckten Handlungen von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Das bedeutet: Die persönlichkeitsrechtlichen Schutzansprüche des Abgebildeten vor Deanonymisierung bestünden im konkreten Fall auch dann, wenn der Betroffene an den heimlichen Bildaufnahmen beteiligt gewesen wäre und auch dann, wenn die Anfertigung heimlicher Bildaufnahmen rechtswidrig gewesen wäre. Nach dem spanischen Strafrecht ist dies nicht der Fall. In einer jüngeren Entscheidung des spanischen Obersten Gerichtshofs (Az.: 3585/2016) heißt es (eigene Übersetzung): „Der Beitrag eines seiner Protagonisten zur Aufzeichnung bestimmter Gespräche verletzt nicht das Recht auf Geheimhaltung der Kommunikation, da dieses Recht nicht vor den Teilnehmern selbst am Gespräch ausgeübt werden kann" (siehe auch Entscheidung des span. Verfassungsgerichtshof, STC 11/1984).

Der Anonymitätsanspruch des Betroffenen ist Ausfluss des anerkannten Quellenschutzes. Wenn Quellen öffentlicher Berichterstattung befürchten müssen, nach der Veröffentlichung an den medialen Pranger gestellt zu werden, läuft der Schutz investigativer Quellen ins Leere.
Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR in der Sache Haldimann u.a. / Schweiz (EGMR, Urt. v. 24.2.2015 – 21830/09), nach der das Recht der freien Meinungsäußerung gem. Art. 10 EMRK auch den Einsatz versteckter Bild- und Tonaufnahmen schützt, insb. um Missstände zu belegen und dubiose Geschäftemacher zu überführen. Das öffentliche Informationsinteresse an Tatsachen, die einen Beitrag zur Debatte von allgemeinem Interesse liefern, überwiegt die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen aus Art. 8 EMRK.
Dabei hat das Persönlichkeitsrecht hat insb. dann zurückzutreten, wenn auf andere Weise Missstände von Gewicht nicht oder nur schwer aufzuklären oder bildhaft darzustellen sind.

sch.