1.7.2022 In: Medien- und Presserecht

VG Osnabrück, Urteil vom 8.6.2022 (1 A 199/21): Die Bundesrepublik Deutschland genießt Ehrschutz gegen tatsächlich falsche Presseerklärung einer Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer geplanten strafprozessualen Durchsuchungsmaßnahme.


Das VerwG Osnabrück hat mit einem bemerkenswerten Urteil vom 8.6.2022 (1 A 199/21) der Klage unseres Partners RA Johannes Eisenberg für die Bundesrepublik Deutschland, vertr. d. d. BMJV gegen die Staatsanwaltschaft Osnabrück vollumfänglich stattgegeben. Die Presseerklärung der StA Osnabrück, die sie kurz vor der Bundestagswahl 2021 im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen unbekannte Mitarbeiter der FIU veröffentlicht hat, war in wesentlichen Teilen rechtswidrig.

Der Pressesprecher der StA hat anschließend gegenüber dem Spiegel Unwahrheiten verbreitet.
Der Rechtsverstoß der Ermittlungsbehörde hatte besondere Qualität, weil ihre Verlautbarung für die Presse als privilegierte Quelle galt und von dieser nicht überprüft werden musste.

In der mündlichen Verhandlung stellte der Vorsitzende der Kammer, Präsident des Verwaltungsgerichts Ulrich Schwenke ausdrücklich fest, dass die Presseerklärung mit der Justizministerin des Landes Niedersachsen abgestimmt war.

Das VerwG Osnabrück hat mit dieser Entscheidung die beteiligten MitarbeiterInnen des BMJV vollständig rehabilitiert.

Ausweislich der Urteilsgründe hat die StA Osnabrück unwahre Tatsachen verbreitet, als sie behauptet hat, es sei eine Durchsuchung im BMJV durchgeführt worden. Weiter hat die Ermittlungsbehörde Verdachtslagen insbesondere zur Leitungsebene des BMJV insinuiert, für die es „keinerlei Anhaltspunkte“ gab. Indem die StA Osnabrück „offenbar bewusst weggelassen“ hat, gegen wen sich der Straftatverdacht tatsächlich richtete und zudem noch das BMJV und seine Mitarbeiter ausdrücklich genannt hat, habe die Behörde Rezipienten der Pressemitteilung gegenüber suggeriert, es habe ein Tatverdacht gegen das BMJV und seine Mitarbeiter gegeben. Das VerwG stellte weiter fest, dass die Pressemitteilung auch insoweit suggestiv gewesen sei, als dass ein Zusammenhang mit „vorangegangenen Durchsuchungen“ in der FIU hergestellt worden sei; damit habe die StA „trotz fehlender Anhaltspunkte für einen Verdacht gegen Mitarbeiter der Ministerien“ die Gleichrangigkeit der Maßnahmen nahegelegt. Die von der StA gewählte Formulierung weiche von dem Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses ab und stelle eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Die unwahre Mitteilung der StA greife vorliegend in ähnlich gravierender Weise wie bei natürlichen Personen in die Rechtsstellung des Ministeriums ein „und könne sich jenseits ihrer konkreten Einwirkungsmöglichkeiten auf das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit erheblich auswirken, sie stellt namentlich etwa das unerlässliche Vertrauen in die Integrität staatlicher Stellen in Frage“.

Eine besondere Bedeutung des Rechtsverstoßes ergebe sich daraus, dass eine staatsanwaltschaftliche Äußerung für die Presse eine privilegierte Quelle darstelle, auf die sie sich verlassen kann und die sie ohne weitere Recherche veröffentlichen darf. An die Öffentlichkeit gerichtete Äußerungen der Staatsanwaltschaft zum Inhalt, Verlauf und Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens schaffen einen Vertrauenstatbestand für die Vermutung der Richtigkeit dieser Verlautbarungen. Die StA Osnabrück zeichne über das BMJV und ihre Mitarbeiter „in der Öffentlichkeit ein Bild, dass erstens sich die Leitung und die Mitarbeiter der Klägerin an der Förderung der Ermittlungen der Beklagten nicht freiwillig beteiligten, sondern eine (zwangsweise) Durchsuchung des Ministeriums notwendig gewesen sei und habe durchgeführt werden müssen, und zweitens ein Straftatverdacht auch gegen die Leitung und die Mitarbeiter bestehe. Dies erweckt in der Öffentlichkeit den fatalen Anschein, dass die Klägerin als Bundesministerium nicht zur Amtshilfe bereit sei und ihre Leitung sowie Mitarbeiter ebenfalls unter dem Straftatverdacht der Strafvereitelung im Amt stünden. Dies ist in erheblichem Maße geeignet, die Funktionsfähigkeit der Klägerin und ihren Respekt vor anderen staatlichen Institutionen auch unter der Beachtung des Prinzips der Gewaltenteilung in Zweifel zu ziehen.“

2.
Die Tatsachenbehauptung des Pressesprechers gegenüber dem SPIEGEL am Folgetag nach der Maßnahme (die im Ergebnis keine Durchsuchung war), mit der die Staatsanwaltschaft ihr Tun zu rechtfertigen suchte, war ebenfalls falsch. Die Behauptung des Pressesprechers der StA es bestünden Zweifel, ob die Mitarbeiter des BMJV die begehrten Unterlagen freiwillig herausgeben, habe auch nicht den Tatsachen entsprochen und begründe einen Unterlassungsanspruch des BMJV. Das VerwG weist darauf hin, dass dabei besonderes Augenmerk darauf zu richten sei, dass diese  Falschbehauptung des Pressesprechers ein Tag nach der durchgeführten Maßnahme erfolgt sei, als bereits feststand, dass der Durchsuchungsbeschluss gegenüber der Klägerin nicht vollzogen werden musste und die Unterlagen freiwillig herausgegeben wurden.

Die rechtswidrigen Verlautbarungen der StA sowie ihres Pressesprechers führten dazu, dass in der Öffentlichkeit der fatale – und unwahre - Anschein entstand, dass das BMJV nicht zur Amtshilfe bereit sei. Die Behauptungen stellten auch keine „keine sachliche Kritik an der Amtstätigkeit der Klägerin dar, weil auch nach dem Vortrag der Beklagten im gerichtlichen Verfahren das Verhalten der Mitarbeiter der Klägerin gegenüber der Beklagten tadellos gewesen sei.“

sch.